A.E. Köchert Juweliere
Nach dem Prinzip der Schatulle.
Der geschichtsträchtige Salon von Theophil Hansen wurde von BWM bis ins kleinste Detail restauriert und für zeitgemäße Funktionen adaptiert
Wo einst der Schmuck für Kaiserin Sisi entworfen wurde, haben BWM Architekten dem Prinzip einer Schatulle entsprechend die bestehenden historischen Strukturen mit den neuen Bestandteilen des Interieurs zu einer architektonischen Einheit verschmolzen.
Ein architektonisches Juwel
Das Wiener Juweliergeschäft A.E. Köchert ist ein Familienbetrieb mit großer Tradition. Seit 200 Jahren werden in Eigenproduktion edle Schmuckstücke in Spitzenqualität hergestellt. Die Köchert-Juweliere belieferten den Wiener Hof und waren die persönlichen Kaiserlich und Königlichen Hof- und Kammerjuweliere von Kaiser Franz Joseph. Mit ihren Schmuckstücken machte Kaiserin Sisi europaweit Furore, ihr Haarschmuck in Form von Diamantensternen löste eine ganze Modewelle aus. 1880, als der Betrieb bereits in der dritten Generation geführt wurde, fertigten an die 50 Goldschmiede außergewöhnlich prominente Diademe an, der Name Köchert wurde mit den bekanntesten europäischen Juwelieren wie Cartier, Mellerio oder Bucheron genannt.
Seit den Anfängen werden die wertvollen Köchert-Stücke in der hauseigenen Werkstatt produziert. 1873 ließ man sich vom berühmtesten der Wiener Ringstraßenarchitekten, von Theophil Hansen, ein neues Geschäftslokal einrichten, in dem der Betrieb nun seit über 150 Jahren ansässig ist. Dieses Geschäft in seiner einzigartigen Kombination aus Werkstatt, Beratungslokal und Salon ist eines der ältesten Verkaufslokale der Stadt und stellt einen originalen Typus der gründerzeitlichen Wiener Baukultur dar – ein architektonisches Juwel.
Umfassende Sanierung und Neugestaltung
Wiederholte Erweiterungen und verschiedene Adaptierungen aus den unterschiedlichsten Epochen machten eine vorsichtige aber umfassende Sanierung und Umgestaltung sinnvoll. Dabei sollte die wertvolle architektonische Substanz möglichst erhalten bleiben. Mit diesem schwierigen Projekt, das viel Fingerspitzengefühl erforderte, wurde das Wiener Büro BWM Architekten beauftragt, das durch seine große Erfahrung mit Adaptierungen und Umbauten im denkmalgeschützten Bestand überzeugen konnte. Das Interiorteam um Erich Bernard schlug ein attraktives Konzept für die Inneneinrichtung vor, das den Charakter des Geschäftes optimal zur Geltung bringt. Eine neue, aufsehenerregende Präsentation der Juwelen und der Firmengeschichte, neue Bereiche für ungestörte Beratung und freier Bewegungsraum für die Kunden wurden geschaffen. Verkauf und Werkstatt konnten für zeitgemäße Funktionen adaptiert werden, zugleich aber wurden die besondere Stimmung und der prägnante Charakter dieses besonderen Wiener Interieurs wieder verstärkt und begreifbar gemacht.
Bei diesem sensiblen Projekt ist tatsächlich beinahe kein Stein auf dem anderen geblieben. Dennoch war es uns wichtig, die Dimension der Veränderung nicht kenntlich zu machen und zugleich so viele Spuren der Geschichte wie möglich zu bewahren.Erich Bernard
Im Sinne des Denkmalschutzes
Die Umbauten wurden in enger Zusammenarbeit zwischen Bauherrn und Denkmalamt vorgenommen. Ausführliche restauratorische Bestandsuntersuchungen an Mauerwerk, Decken und Fußböden begleiteten die Renovierung. Eine besondere Herausforderung bestand in der kompletten Erneuerung von sämtlichen sicherheits- und haustechnischen Anlagen und deren unauffällige Integration in die historische Bausubstanz.
Der Salon von 1873 – ein Stück Wiener Geschichte
Wie die Marke Köchert selbst, ist auch das Geschäftslokal am Neuen Markt ein Stück Wiener Geschichte. Bis heute betritt man die Räume über dessen Herzstück, den historischen Salon, der im Jahr der Weltausstellung 1873 von Theophil Hansen als Verkaufs- und Beratungsraum gestaltet wurde und in allen wesentlichen Teilen erhalten geblieben ist.
Der historische Salon als Juwel
Das Gestaltungskonzept von BWM für Köchert funktioniert wie eine Schatulle für wertvolle Juwelen: Zarte Grautöne fassen die bestehende Struktur und alle neuen Bestandteile des Interieurs zu einer architektonischen Einheit zusammen, beruhigen den Raum und spielen historische Originalteile ebenso wie Juwelen in den Vordergrund. Wie das Futteral einer Schatulle sind das Innere der neuen Vitrinen, ebenso wie die Sitznischen, die historischen Hansen-Stühle und die Möbel im Backoffice mit Leder überzogen. Dessen Farbe changiert von Zartgrau bis Mauve – jener besonderen Farbe, die erstmals 1873 auf der Wiener Weltausstellung präsentiert wurde.
Der historische Hansen-Salon wurde bis in das kleinste Detail restauriert. Die originalen, dunklen Holzverkleidungen mit klassizistischen Figuren- und Blütenfriesen prägen die charakteristische Atmosphäre wesentlich und werden nur durch vorsichtig eingesetzte neue Vitrinen und eine auf zarten Beinen stehende Pultvitrine ergänzt. Durch die neu ausgeleuchtete Decke scheint sich der Raum nach oben hin zu öffnen – in der Mitte ein Lusterobjekt von Megumi Ito als Blickfang und Akzent.
Historische Einblicke im Obergeschoß
Im Obergeschoß erreicht man die historische Werkstatt, in der bis heute noch exklusiv die Schmuckstücke für A.E. Köchert gefertigt werden. Dieser vorgelagert ist ein Raum in der Salonatmosphäre des 19. Jahrhunderts. Hier können in intimer Atmosphäre Gespräche mit Kundinnen und Kunden geführt werden. Die Wände bekleiden wertvolle Originalzeichnungen mit Schmuckentwürfen in Petersburger Hängung. Dieser Salon dient zugleich als Museum für die lange Tradition des früheren k.u.k. Hofjuweliers Köchert. Dazwischen öffnen sich gezielte Einblicke in die Werkstatt mit ihren teils noch aus der Ursprungszeit stammenden Geräten. Erich Bernhard: “In this sensitive project hardly anything was left untouched. But it was important to us to keep the extent of changes from being too apparent and also to preserve as many traces of history as possible.”
Aufgabe
Neugestaltung des Wiener Traditionsjuweliers A.E. Köchert, Verkaufsraum wie Werkstatt
Status
Fertigstellung
09/2015
Auftraggeber
A.E. Köchert Juweliere GmbH
BWM Team
Erich Bernard, Birgit Eschenlor, Katrin Maria Stefanzl
Bildnachweis
BWM Architekten / Christoph Panzer
Projektbeteiligte
Konzept und Planung
BWM Architekten und Partner ZT GmbH
Baumanagement
Oliver Eichhorn und Markus Bubel - Bubeleichhorn
Leuchtendesign
Megumi Ito
Vitrinenbeleuchtung
Prof. Günther Leising
Lichtsysteme
XAL GmbH - xenon architectural lighting
Dekoration
Atelier Foggensteiner