Mayer am Pfarrplatz
Beethovens Heuriger.
Unter Wiens zahlreichen Heurigen-Betrieben zählt der Mayer am Pfarrplatz zu den mythischsten und historisch bedeutendsten. BWM Architekten wurden mit dem Interior Design bei gleichzeitiger Erweiterung des teilweise denkmalgeschützten Hauses in Heiligenstadt-Nussdorf betreut.
Am pittoresken Pfarrplatz, gleich neben der Jakobs-Kirche und der barocken Statue des Heiligen Johannes-Nepomuk liegt eingebettet in Grünflächen das legendäre Wiener Weingut Mayer am Pfarrplatz mit angeschlossenem Heurigenbetrieb und Verkaufslokal. Wein wird in dem Haus, in dem einst Ludwig van Beethoven wohnte, bereits seit dem 17. Jahrhundert erzeugt.
Patchwork Heuriger.
„Im Laufe der Jahrhunderte wurden sowohl Gebäude als auch Betrieb immer wieder erweitert, erneuert und saniert“, sagt Architekt Erich Bernard von BWM Architekten. „Diesen Geist der ständigen Veränderung, des Ergänzens und „Anstückelns“ wollten auch wir weiterführen.“ In diesem Sinne sei der Betrieb auch um zwei Gasträume erweitert worden, die wirken, als wären sie immer schon da gewesen.
„Als Auftrag landet die Planung eines Heurigen nur selten am Tisch eines Architekten“, so Bernard, „was daran liegt, dass, im Unterschied zum durchkomponierten Restaurant, wo alles seinen Platz hat, aber auch zum Wirtshaus, das gleichfalls einer genauen Planung bedarf, der Heurigen par Definition aus der Improvisation kommt.“ Weswegen sich bei seiner Planung die für den Architekten gleichermaßen heikle wie spannende Frage stelle: Wie schafft man Freiräume für Improvisation? Wie plant man das Ungeplante?
Im Unterschied zum durchkomponierten Restaurant, wo alles seinen Platz hat, aber auch zum Wirtshaus, das gleichfalls einer genauen Planung bedarf, kommt der Heurige par Definition aus der Improvisation.Erich Bernard
Neues & Altes.
Die Rundumsanierung und Erweiterung wurde bei laufendem Betrieb in Angriff genommen und teilt sich in zwei Bauphasen. Die erste Phase betrifft den hinteren, nicht denkmalgeschützten Teil des Gebäudes, der bislang als Lagerräumlichkeit diente. Dieser wurde zu einem 170 Quadratmeter großen Gastraum umgestaltet, der durch eine bewegliche Trennwand jederzeit zweigeteilt werden kann. Die mit Weichholz verkleidete Lamperie der bestehenden Gasträume wird hier nun fortgeführt.
Genau wie in den bestehenden Gasträumen mischen sich auch in den neuen dunkel gebeizte, alte und neue hölzerne Stühle wie Tische mit, in beiden Fällen, neuüberzogenen Sitzkissen. Zusätzliche Elemente wie schmiedeeiserne Wandleuchten wurden neu produziert und mit Schirmen, versehen, die mit klassischen Heurigen-Mustern wie Trauben und Rebenblättern versehen und an die Schirmlampen der gleichfalls schmiedeeisernen Kronleuchter angepasst sind. Einige Elemente wie schmiedeeiserne Fenstergitter und Teile alter Holzböden wurden wiederverwendet, sodass dem Gast kaum auffällt, dass er einen neugeschaffenen Bereich betritt.
Klinker & Holz.
Vom Haupteingang geht man durch den überdachten Innenhof zum Buffet. Der Buffet-Raum öffnet sich auf einen weiteren, kleineren und mit Pflanzen begrünten Hof, der mit Glas überdacht wurde.
Rechts vom Haupteingang befindet sich der neugestaltete Schankbereich der, genau wie der Buffet-Raum, über einen roten Klinkerboden verfügt, während die Gaststuben mit verschiedenen Holz-Böden ausgelegt sind. Die langgezogene Schank wurde mit dunkler Eiche verkleidet und mit einer charakteristischen Arbeitsfläche aus Edelstahl bestückt. Die aus sichtbarem Mauerwerk bestehende Rückwand hin zum Pfarrhof der Stiftskirche wurde erhalten. Über der Schank sorgen flaschengrüne Hängelampen der Wiener Lichtdesignerin Megumi Ito für eine gedämpfte Beleuchtung.
Flaschen & Fliesen.
Die Waschräume wurden gleichsam neugestaltetet und sind nun durch ein Wandregal zu betreten, das vom Fußboden bis zur Decke mit leeren und rückseitig beleuchteten grünen Flaschen bestückt ist – das einzige moderne und offensichtlich neue Element des gesamten Umbaus, wie Architekt Bernard betont.
Die Fußböden der Verbindungsgänge, Waschräume und Toiletten indessen heben sich durch typische Wiener Fliesenteppiche ab, sprich durch 15 mal 15 Zentimeter große und sechseckige, anthrazitfarbene Bodenfliesen.
Tradition seit 1683.
Die zweite Umbauphase betrifft den vorderen, denkmalgeschützten Bereich, sprich den Eingangsbereich, den der Gast durch das Tor am Pfarrplatz betritt. Dabei wurde der vordere Gastgarten rundumerneuert und einer Generalsanierung unterzogen, inklusive Trockenlegung der Wände. Der ehemalige Küchenbereich wurde zu einer neuen Gaststube umfunktioniert, die den Namen „1683“ – die Jahreszahl der Gründung des Weinguts – trägt. Auch der ehemalige Buffetbereich dient nun als Gaststube unter dem Namen Legendenstüberl, während in der ehemalige Kaminstube lediglich die Oberflächen saniert wurden, neue Textilien eingesetzt wurden und diese nun Beethovenstube heißt.
Heurigen, nicht Gasthaus.
Schließlich wurde das ehemalige Presshaus mit seiner hölzernen Weinpresse aus dem 17. Jahrhundert in einen Laden und Verkostungsraum umgewandelt, dessen Boden zu einem Teil mit Holzdielen und zum anderen Kalksteinplatten ausgelegt ist. Über einem länglichen, hohen Verkostungstisch mit einem darunter liegenden Stauraum für Weinkisten wurde eine Hängeleuchte aus grünen Weinflaschen angebracht.
„Generell, so Architekt Bernard, sorgt die allgemein schlichtgehaltene Grundtextur für eine Atmosphäre, die einen typischen Heurigen von einem Wirtshaus deutlich unterscheidet. „Ein Gasthaus ist ein Ort der bewusst gestaltet wurde - der Heurige ist meist einfach so entstanden und wurde dann dekoriert. Für Gemütlichkeit sorgen klassische und für einen Heurigen kennzeichnende Materialen wie verschiedenfärbige Hölzer, das einprägsame Moosgrün und typische Oberflächen wie Edelstahl an der Schank – alles sehr einfach eingesetzt“, so der Architekt. Bei den Grundelementen regieren schlichte Profile, das Einfarbige, Schnörkellose und Zurückhaltende. Lediglich bei der Dekoration und den Textilien wie Lampenschirme und Vorhänge wurden bunte Akzente gesetzt und mit Elementen aus dem bestehenden Fundus üppig dekoriert.
Aufgabe
Interior Design und Erweiterung (Umbau/Neubau) eines denkmalgeschützten Traditionsheurigen
Status
Fertigstellung
04/2022
Auftraggeber
Pfarrplatz Gastronomiebetriebs GmbH
BWM Team
Erich Bernard, Evi Rupprecht, Marlies Klauser, Livia Hämmerle, Kinga Baluch, Valerie Therese Achleitner, Irene Schacherhofer
Bildnachweis
BWM Architekten/ Lukas Schaller
BWM Architekten
Projektbeteiligte
Modellbau/Visualisierung
LAUBlab KG
Lampendesign
Megumi Ito
Grafische Beratung/ Lieferung Vorlagen
Gabriele Bruner
Dekoration
Atelier Peter Weisz
Projektsteuerung
ABdomen Architektur ZT GmbH
Interiordesign Pattern / Special grafics
Gabriele Bruner
Presse
25 April 2022
prost-magazin.at